Genossenschaften entdecken
Raiffeisens Idee entwickelte sich zu einem weltweiten Erfolgsmodell und ist auch heute, in Zeiten der Digitalisierung, hochaktuell. Allein in Deutschland sind mehr als 23 Millionen Menschen Mitglied einer Genossenschaft – Tendenz steigend.
Genossenschaften heute
Was sind Genossenschaften?
Für Raiffeisen zählte das Wohl aller, nicht der Profit weniger. Heute stehen Genossenschaften für faire Finanzberatung, nachhaltige Landwirtschaft, umweltfreundliche Energieversorgung und bezahlbaren Wohnraum.
In Deutschland gibt es über 7.000 Genossenschaften und genossenschaftliche Unternehmen. Gemeinsam bilden sie das Rückgrat der mittelständischen Wirtschaft. Sie schaffen rund 900.000 Arbeitsplätze und ermöglichen Menschen Wohlstand und Sicherheit.
Grundidee von Genossenschaften ist, wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme gemeinsam zu lösen – basierend auf den Werten Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung der Mitglieder.
Genossenschaften wirtschaften nachhaltig und verantwortungsbewusst, sie fördern ihre Mitglieder und sind fest in der Region verankert.
Dass Raiffeisens Idee bis heute wirkt, würdigte im Jahr 2016 auch die UNESCO und nahm die Genossenschaftsidee in die repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit auf.
Genossenschaften - in vielen Branchen erfolgreich
Kredit
Agrar
Nähe zum Kunden, Verantwortung in der Region und Partner des Mittelstandes – nach diesen Grundsätzen arbeiten und wirtschaften die rund 700 deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie die Unternehmen der Genossenschaftlichen FinanzGruppe. Gerade die Vielzahl selbständiger Genossenschaftsbanken trägt zur Stabilität der Branche bei. Diese wiederum ist eine Voraussetzung für eine nachhaltige gesamtwirtschaftliche Entwicklung.
Raiffeisens Genossenschaftsidee hat im Agrarsektor ihren Ursprung – und ist dort weiterhin erfolgreich. Heute gibt es in Deutschland knapp 2.000 ländliche Genossenschaften. Nahezu alle Landwirte, Gärtner und Winzer sind Mitglied einer oder mehrerer ländlicher Genossenschaften. Diese versorgen ihre Mitglieder mit Betriebsmitteln wie Saatgut und Futter und erfassen, verarbeiten und vermarkten ihre Erzeugnisse. Raiffeisen ist zugleich ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor.
Energie
Wohnen
Energiegenossenschaften boomen: Die rund 880 im Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband organisierten Energiegenossenschaften verfolgen verschiedene Ziele: von der Stromerzeugung durch Fotovoltaik, Windkraft oder Biogas über den Netzbetrieb bis hin zur Energievermarktung. Eines haben sie gemeinsam: Sie bieten Bürgern die Möglichkeit, am Umbau der Energieversorgung und der Umsetzung einer dezentralen Energiewende mitzuarbeiten.
Wohnraum ist knapp und teuer – gerade in Ballungsräumen. Mitglieder der rund 1.800 Wohnungsgenossenschaften in Deutschland werden zu Miteigentümern und haben ein Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung der Wohneinheiten. Und sie können sicher sein, dass die Interessen ihres Wohnungsunternehmens sich in erster Linie an ihrem eigenen Wohl orientieren – und nicht an den kurzfristigen Gewinnerwartungen von Spekulanten. Außerdem haben sie ein lebenslanges Wohnrecht zu vergleichsweise günstigen Preisen.
Waren und Dienstleistungen
Soziales
Wer sich in ein Taxi setzt, hat gute Chancen, vom Angebot einer Dienstleistungsgenossenschaft zu profitieren. Auch die tageszeitung (taz) ist eine eG. Und nicht zuletzt ist der Lebensmittelhandel vielfach genossenschaftlich organisiert, vom Dorfladen bis zur überregionalen Kette wie REWE und Edeka. In Deutschland gibt es derzeit knapp 1.400 gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften. Sie sind in über 45 Branchen tätig, verstärkt auch im Handwerk.
Mit dem Wunsch nach Partizipation und Hilfe zur Selbsthilfe gründen Menschen Dorfläden oder retten Schwimmbäder, Kinos etc. mit frischen Ideen vor der Schließung. Vielfach ermöglichen die Kooperationen auch neue Wohnformen für Alt und Jung. Arbeitgeber schließen sich genossenschaftlich zusammen, um ihre Mitarbeiter bei der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen zu unterstützen. Auch wenn es um die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben geht, spielen Sozialgenossenschaften eine zentrale Rolle.
Schüler
Schülergenossenschaften erleben in Deutschland einen Boom. Manche bauen Möbel, andere betreiben Schulkioske, Imkereien, Cafés, bieten PC-Dienstleistungen oder eine Schülerzeitung an. Bundesweit sind Schüler in rund 200 Schülergenossenschaften organisiert. Sie erhalten vielseitige Einblicke in ein solidarisch und demokratisch organisiertes Unternehmensmodell. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit realen Genossenschaften und den Genossenschaftsverbänden ist fester Bestandteil dieses Konzepts.
Ich finde, dass die Genossenschaftsidee eine große Tradition hat, aber sie hat auch eine große Zukunft, und das ist für mich das entscheidende.
Genossenschaften weltweit
Die Idee Raiffeisens ist zu einem wahren Exportschlager geworden. Weltweit gibt es erfolgreiche Beispiele genossenschaftlicher Zusammenarbeit. In über 100 Ländern sind heute mehr als eine Milliarde Menschen in rund 3 Millionen Genossenschaften organisiert.
Genossenschaften sichern weltweit Millionen Arbeitsplätze. Auch in Entwicklungs- und Schwellenländern leisten sie einen wertvollen Beitrag. Sie ermöglichen selbstbestimmtes Handeln, unterstützen die Wirtschaftskreisläufe vor Ort und sorgen für lokale Beschäftigung.
Die deutsche Genossenschafts-Organisation unterstützt auf allen Kontinenten den Aufbau genossenschaftlicher Strukturen. Die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Mitglieder in für alle offenen Genossenschaften ist das vorrangige Ziel. Wesentliche Elemente bei der Förderung genossenschaftlicher Strukturen ist der Aufbau von Bildungs-, Beratungs- und Prüfungssystemen. Zahlreiche junge ausländische Fach- und Führungskräfte werden in Deutschland aus- und weitergebildet.
Aus Anlass des 150. Geburtstages von Friedrich Wilhelm Raiffeisen wurde 1968 im Rahmen des Welt-Raiffeisentages in Neuwied die Internationale Raiffeisen-Union (IRU) gegründet. Ihr gehören 73 Mitgliedsorganisationen aus 41 Ländern an.
Immaterielles Kulturerbe
Würdigung der Genossenschaftsidee
November 2016: In Addis Abeba kommen 700 Delegierte aus 172 Staaten zusammen, um zu entscheiden, welche der 50 Vorschläge zum „Immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ erklärt werden. Bis jetzt zählen u. a. der argentinische Tango, das Fladenbrot oder die traditionelle chinesische Medizin dazu.
„Genossenschaft als Wertegemeinschaft“
Am Abend des 30. November 2016 steht fest: Das Genossenschaftswesen kommt hinzu, als erster Beitrag Deutschlands. Idee und Werk von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch gehören nun offiziell der gesamten Welt.
Paul-Josef Raue blickt in seiner Raiffeisen-Biographie so zurück: „Ihrem Vorschlag räumen die Deutschen selbst nur wenig Chancen ein, sie stufen ihre Teilnahme eher nach dem olympischen Motto ein: ,Dabeisein ist alles’.“ Doch dann geschieht die Wende: Delegierte aus Entwicklungsländern wollen mit den Deutschen sprechen. Sie wollen Genossenschaften fördern, „sie halten sie für notwendig, wenn sich eine Gesellschaft nachhaltig organisieren will“ (Raue). Ihre Stimmen geben letztendlich den Ausschlag: Das Genossenschaftswesen wird zum „lmmateriellen Kulturerbe der Menschheit“ erklärt.
Josef Zolk von der Raiffeisen-Gesellschaft – gemeinsam mit Dr. Manfred Wilde von der Schulze-Delitzsch-Gesellschaft Motor der Bewerbung – fasst die Gründe für die Ernennung so zusammen: „Soziale Gerechtigkeit, Zusammenhalt, Solidarität, Partizipation und demokratische Strukturen sind weltweit ein Ziel von Gesellschaften. Und dieses Ziel erreichen eben Genossenschaften als Wertegemeinschaft.“