Keine Frage: Als Genossenschaftsgründer und Kommunalpolitiker, der auch die Schul- und Volksbildung sowie die regionale Infrastruktur im Blick hatte, ist Raiffeisen allenthalben bekannt. Doch trieb ihn die Arbeiterfrage in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenfalls um, wobei er die Arbeiterschaft sehr breit definierte: Kleinbauern, deren Betriebe lediglich die Erzeugung des eigenen Familienbedarfs decken sollten, zählte er ebenso dazu wie Knechte und Mägde - mithin jenen Teil der Bevölkerung, der schnell in Gefahr geriet, sich zum ländlichen Proletariat zu entwickeln. „Der Arbeiterschaft in ihrer Gesamtheit keine soziale Absicherung zu verschaffen, betrachtete Raiffeisen als eine für den Fortbestand von Staat und Gesellschaft gefährliche Vernachlässigung. Die sozial
ungesicherte Arbeiterschaft, wie sie im 19.Jahrhundert im industriellen Bereich heranwuchs, implizierte für ihn politischen Zündstoff, wodurch die Gesellschaft leicht in ein Chaos gestürzt werden könnte“, schreibt Albert Schäfer.
Mit den Denkschemata von Marx und Engels, „die im Umsturz der bestehenden Gesellschaftsstrukturen die wirtschaftliche Gesundung des sozial schwachen Arbeiterstandes zu finden glaubte“, hatte er unterdessen nichts im Sinn. Kommunistischen, sozialistischen und sozialdemokratischen Ideen erteilte Raiffeisen - vergleichsweise undifferenziert - eine Absage und warnte vor der „Umsturzpartei“. Jede Form von Verstaatlichung kam für ihn zudem der Verachtung des christlichen Menschenbildes gleich.